Landgericht Ingolstadt spricht Klartext.
Das Landgericht Ingolstadt hat in einem sensationellen Urteil vom 12.11.2020, Az. 81 O 571/19, einem Kläger in einem Verfahren gegen die Audi AG Recht gegeben. Es verurteilte die Audi AG zur Rückzahlung des Kaufpreises und Rücknahme des Wagens – und das obwohl der Kläger seinen PKW im Januar 2016, also NACH dem Bekanntwerden des Abgasskandals erworben hat.
Der Kläger kaufte den Audi A4 Avant 2.0 l TDI gebraucht mit 17.500 km für 28.150 EUR im Januar 2016 und somit knapp 4 Monate nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals.
Der BGH wies in einem ähnlich gelagerten Fall den Anspruch zurück, da sich nach Ansicht des Senats ab der Veröffentlichung der ad-hoc-Mitteilung am 22. September 2015 durch die Volkswagen AG deren Verhalten derart geändert haben soll, dass ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von einer Sittenwidrigkeit ausgegangen werden könne. Dem sind die Gerichte bisher unisono gefolgt und wiesen die Klagen mit dieser Begründung ab.
Urteil differenziert klar zwischen den VAG Auto-Marken
Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt differenziert hier richtigerweise zwischen den einzelnen Marken innerhalb des Volkswagen-Konzerns und kommt daher zu einem anderen Ergebnis.
Denn entgegen der Auffassung der Audi AG führe deren Verhalten eben nicht dazu, dass der ihr gegenüber erhobene Vorwurf der Sittenwidrigkeit, nicht mehr gerechtfertigt sei.
Dabei verkenne das Gericht nicht, heißt es im Urteil, dass bei der gebotenen Gesamtbetrachtung auch das Verhalten der Audi AG (nach dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs) bis zum Abschluss des Kaufvertrags zu berücksichtigen ist. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Maßnahmen des Mutterkonzerns, also der Volkswagen AG, unter Hinweis auf die Betroffenheit zahlreicher weiterer Fahrzeuge des gesamten Konzerns nicht ausreichend waren, um auch für Audi das Verdikt der Sittenwidrigkeit entfallen zu lassen.
Das Software-Update von Volkswagen reicht nicht zur Entlastung
Die Maßnahmen des Mutterkonzerns lassen auch nicht den notwendigen Schluss darauf zu, dass die Entscheidung der Audi AG, im eigenen Gewinninteresse die zuständigen Behörden und letztlich die Fahrzeugkäufer zu täuschen, durch die Strategie, an die Öffentlichkeit zu treten, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrtbundesamt Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustands zu erarbeiten, ersetzt worden wäre. Das durch den Mutterkonzern bereitgestellte Software-Update kann Audi insofern nicht zur Entlastung gereichen. Auch die umfassende mediale Berichterstattung, mit der die Problematik der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, kann bei der Beurteilung, welche Anstrengungen die Audi AG hätte unternehmen müssen, um ihr Verhalten als nicht sittenwidrig erscheinen zu lassen, schien allenfalls geringfügige Berücksichtigung finden.
Mediale Berichterstattung durch die Presseabteilung der Volkswagen AG initiiert
Die mediale Berichterstattung sei nahezu ausschließlich durch die Presseabteilung der Volkswagen AG initiiert worden und sei in Folge davon auch in erster Linie als „VW-ABGASSKANDAL„ ein wichtiges Thema gewesen.
Auch weitere Themen wie die Einrichtung einer Informations-Webseite, die Maßnahme des KBA und die Bereitstellung des Software-Updates sind in erster Linie mit der Volkswagen AG und nicht mit der Audi AG in Verbindung gebracht worden. Sofern diese Maßnahmen überhaupt mit einer Verhaltensänderung in Verbindung gebracht werden können, sei es jedenfalls nicht möglich, hieraus eine Verhaltensänderung der Beklagten zu schlussfolgern.
Dies gelte umso mehr, als die Audi AG gerichtsbekannt über den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs hinaus bis zum Abschluss des Kaufvertrags in zahlreichen weiteren von ihr produzierten und entwickelten Fahrzeugen, in denen sich von ihr entwickelte und produzierte Motoren befanden, unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet hat. Vor diesem Hintergrund scheine die Annahme eines Gesinnungswechsels, der die Sittenwidrigkeit entfallen ließe, nicht darstellbar.
„Diese Entscheidung folgt richtigerweise nicht dem BGH und gibt somit der Audi AG auch nicht die Möglichkeit sich aus der Verantwortung zu stehlen. Die fadenscheinige und wahrheitswidrige ad-hoc-Mitteilung aus Wolfsburg ist nun doch nicht zum Persil-Schein für den gesamten Konzern geworden. Eine Entwicklung, die wir im Interesse des Verbraucherschutzes sehr begrüßen. Ich bin mir sicher, dass viele weitere Gerichte der Argumentation in diesem Urteil folgen werden.““
Partner Dr. Marco Rogert
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