Sensation: EuGH urteilt pro Arbeitnehmer
Urlaubsansprüche nach 3 Jahren geltend machen
In einem aktuellen Urteil (Urteil vom 22.09.2022 – C-518/20 C-727/20) stellt der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) fest, dass Urlaubsansprüche keine Verjährungsfrist von drei Jahren haben. Dies bedeutet, dass alte Urlaubsansprüche, die z.B. aus gesundheitlichen Gründen nicht genommen werden konnten, auch nach mehreren Jahren noch geltend gemacht werden können und dem Arbeitnehmer ausbezahlt werden müssen.
Im konkreten Fall klagte ein Arbeitnehmer gegen Fraport, der infolge einer schweren Behinderung bereits Rente bezog. Während seiner Berufstätigkeit war es ihm aufgrund seines Gesundheitszustands unmöglich gewesen 34 Tage Jahresurlaub in Anspruch zu nehmen.
Kein Verfall von Urlaubsansprüchen: 3 Jahre später immer noch Gültigkeit
Fraport argumentierte, dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nach Ablauf des in § 7 III Bundesurlaubsgesetz (BurlG) vorgesehenen Übertragungszeitraums erloschen sei. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hinterfragte jedoch, ob diese Regelung mit europäischen Richtlinien übereinstimmt.
Der EuGH urteilte, dass Urlaubsansprüche, unabhängig von der in Deutschland gängigen Verjährungsfrist von drei Jahren, abgegolten werden müssen, wenn diese einmal entstanden sind.
Wenn Sie in der Vergangenheit aufgrund von gesundheitlichen Gründen, als auch einer Schwangerschaft nicht arbeiten konnten und Ihren Urlaub daher nicht nehmen konnten, haben Sie Anspruch auf Abgeltung dieser Urlaubsansprüche. Wir empfehlen: Lassen Sie Ihre Ansprüche durch unser auf Arbeitsrecht spezialisiertes Anwaltsteam Sinan Böcek und Burcu Gülcan prüfen.
Der Arbeitsrechtsexperte der Kanzlei R&U Sinan Böcek beantwortet Ihre Fragen:
Habe ich Anspruch auf Urlaub, wenn ich das ganze Jahr krank war?
Die klare Antwortet lautet: JA! Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hängt der Anspruch auf Urlaub nicht vom Gesundheitszustand des Arbeitnehmers ab. Dieser entsteht auch, wenn der Arbeitnehmer ganzjährig erkrankt ist. In diesem Fall sind jedoch besondere Gesichtspunkte zu beachten, die vorher anwaltlich geprüft werden sollte.
Darf Resturlaub gestrichen werden?
Nein! Der Resturlaub darf nicht vom Arbeitgeber einseitig gestrichen werden. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben noch im gleichen Jahr, spätestens aber bis zum 31. März des nächsten Jahres, den Resturlaub in Anspruch zu nehmen. Gewährt der Arbeitgeber diesen Resturlaub nicht, verjährt dieser Urlaubsanspruch auch nach drei Jahren nicht.
Wann verjährt nicht genommener Resturlaub?
Nach aktuellem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verjährt der Resturlaub gar nicht! Daher besteht die Möglichkeit auch bei bereits beendeten Arbeitsverhältnissen den Urlaub abzugelten, d.h. diesen ausbezahlt zu bekommen.
Kann man sich nicht genommene Urlaubstage auszahlen lassen?
Es kommt darauf an, ob das Arbeitsverhältnis ungekündigt ist. Besteht das Arbeitsverhältnis weiterhin, muss der Arbeitgeber die Urlaubsansprüche durch bezahlte Freistellung gewähren. Besteht der Urlaubsanspruch nicht mehr, so erhält der Arbeitnehmer einen Ersatzurlaubsanspruch. Der Ersatzurlaubsanspruch ist darauf gerichtet, den nicht mehr bestehenden Urlaubsanspruch fortbestehen zu lassen. Dies soll unter den Bedingungen des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) geschehen – also bezahlte Freistellung statt Abgeltung durch Geld. Ist das Arbeitsverhältnis allerdings beendet, so bleibt nur die Abgeltung dieser Ansprüche durch Geld.
Kann Resturlaub über den 31.03. hinaus übertragen werden?
In Deutschland gibt es keine gesetzliche Regelung, die besagt, dass Resturlaub bis zum 31.03. des Folgejahres genommen werden muss. Laut § 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Urlaub, und es obliegt dem Arbeitgeber sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, den Urlaub zu nehmen. Es ist also möglich, dass Resturlaub über den 31.03. hinaus übertragen werden kann, solange es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart ist.
Muss der Arbeitgeber über Resturlaub informieren und wenn ja, wann?
Der Arbeitgeber hat diesbezüglich Hinweis- und Mitwirkpflichten. Verhält sich der Arbeitgeber hier pflichtwidrig, können die Resturlaubsansprüche auch ins Folgejahr mitgenommen werden. Deswegen sollte der Arbeitgeber die Arbeitnehmer regelmäßig darauf hinweisen, dass sie noch Resturlaub haben und dass sie diesen nehmen sollten, bevor er verfällt. Ein guter Zeitpunkt hierfür könnte zum Beispiel kurz vor Ende des Kalenderjahres.
Kann der Arbeitgeber nach der Kündigung den Resturlaub verweigern?
Nach Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht die Möglichkeit den Urlaub durch Geld abzugelten. Betroffene sollten sich daher an uns wenden und Ihre Ansprüche durch uns prüfen lassen. Es ist also nicht zulässig, dass ein Arbeitgeber den Resturlaub verweigert, nur weil eine Kündigung ausgesprochen wurde. Es ist jedoch zulässig, dass der Arbeitgeber den Resturlaub in Form von Freizeitausgleich oder in bar auszahlt, wenn die Kündigungsfrist abgelaufen ist, es sei denn es ist etwas anderes in Ihrem Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbart.