Urteil des Landgericht Essen zum VW T5.
Als einziger VW-Diesel mit dem Skandalmotor EA189 soll der „Bulli“ nicht vom Abgasskandal betroffen sein. Doch Experteneinschätzungen und Gerichtsentscheidungen verweisen diese Behauptung, an der Volkswagen hartnäckig festhält, ins Reich der Märchen. Das belegt auch ein aktuelles Urteil, das wir vor dem Landgericht Essen erwirkt haben: Der Autokonzern muss der Käuferin eines T5 Schadensersatz zahlen.
Mit dem liebevoll „Bulli“ genannten Kleinbus hat Volkswagen 1949 ein echtes Kultauto auf die Straße gebracht. Auch sein zwischen 2009 und 2016 gebauter Nachfolger T5 begeistert bis heute eine große Fangemeinde – wäre da nicht der Dieselmotor. In dem Transporter hat der Wolfsburger Autobauer den EA189 verbaut – den Skandalmotor, der den Abgasskandal 2015 ins Rollen gebracht hat.
Dennoch bestreitet Volkswagen bis heute vehement, dass der T5 vom Diesel-Abgasskandal betroffen ist: Im Motor seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut. Deshalb sei der T5 nicht in der Volkswagen-Datenbank der VW-Modelle mit unzulässigen Abschalteinrichtungen aufgeführt. Außerdem habe es bislang auch keinen offiziellen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wegen illegaler Softwaremanipulationen gegeben, so die Begründung des Autokonzerns. Käufer von T5-Fahrzeugen waren daher nicht zur Teilnahme an der Musterfeststellungsklage berechtigt.
Stickstoffausstoss übersteigt die zulässingen Grenzwerte um das 5,5-Fache
Ende Januar 2020 hat das KBA etwa 30.000 VW T5 und T6 in die Werkstätten beordert (Code 37L8). Betroffen waren Modelle mit 103-kW-Motor und DQ-Automatikgetriebe. Der Rückruf wurde nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung begründet, sondern mit einer „Konformitätsabweichung“. Diese hat dazu geführt, dass die betroffenen Fahrzeuge die Grenzwerte für Stickstoffemissionen deutlich übersteigen. Nach Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) lagen die NOx-Werte bis zum 5,5-fachen über dem Erlaubten.
Unzulässige Zykluserkennung im EA 189 aber nicht im T5?
Zwar hat Volkswagen zugegeben, das im EA 189 eine „prüfstandsoptimierende Umschaltlogik“, also eine Zykluserkennung, wirkt, allerdings behauptet der Konzern, dass diese unzulässige Abschalteinrichtung im EA 189-Motor des T5 nicht zum Einsatz komme. Das Emissions-Kontrollsystem arbeite auf der Straße und auf dem Prüfstand „mit gleicher Wirksamkeit“. Käufer von T5-Dieseln hätten somit keinen Schaden erlitten. Im Übrigen würden sich gesetzlich festlegte Grenzwerte für Stickstoff-Emissionen nicht auf den realen Betrieb, sondern nur auf den Prüfstand beziehen.
Gibt es demnach verschiedene Varianten des EA 189-Dieselmotors – mit und ohne illegale Abschalteinrichtungen? Weshalb hat Volkswagen die angeblich „saubere“ Variante ohne Zykluserkennung dann nur im T5, und nicht in allen Dieselfahrzeugen eingebaut?
Abenteuerliche Argumentation auch vor Gericht
Die abenteuerliche Argumentation von Volkswagen wirft viele Fragen auf und spottet jeder Logik. Nichtsdestotrotz hat der Autokonzern sie auch im Verfahren um einen T5 vor dem Landgericht Essen vorgebracht.
Unsere Mandantin hatte ihren VW Multivan 2,0 TDI mit Schaltgetriebe (daher nicht vom KBA-Rückruf 2020 betroffen) im Februar 2012 als Gebrauchtwagen für 34.980 Euro erworben. Ihre Schadensersatzklage gegen Volkswagen begründete sie mit zwei unzulässigen Abschalteinrichtungen im EA 189-Motor: einer Zykluserkennung und einem Thermofenster. Schließlich sei auch die On-Board-Diagnose des Fahrzeugs fehlerhaft, da sie weder über die Manipulation des Abgassystems informiere noch über den erhöhten Stickoxidausstoß.
Landgericht Essen: Illegale Abschalteinrichtung auch im T5
Das Landgericht Essen gab der „Bulli“-Käuferin Recht. Die Kammer sah es als erwiesen an, dass im Fahrzeug eine Zykluserkennung wirksam sei: „Ein auf dem Prüfstand und auf der Straße unterschiedlich funktionierendes Abgas-Rückführungssystem ist rechtlich wie eine unmittelbare technische Einwirkung auf das Emissions-Kontrollsystem einzuordnen.“
OB KBA-Rückruf erfolgt, ist rechtlich nicht relevant
Das Gericht ging davon aus, dass die Motorsteuerung im EA189 bei allen Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns identisch sei, also auch beim T5. Daher spielte es ausdrücklich keine Rolle, ob das Fahrzeug in der Volkswagen-Datenbank der betroffenen Modelle erscheint, oder nicht. Ebenso wenig relevant war für den Richter die Einstufung als unzulässige Abschalteinrichtung durch das Kraftfahrt Bundesamt.
Schadesersatz wegen sittenwidriger Schädigung
„Der „Fall T5“ zeigt einmal mehr, mit welch haarsträubenden Argumenten Volkswagen immer noch versucht, seine illegalen Diesel-Tricksereien zu vertuschen. Damit ist der Autokonzern bereits bei einem ähnlichen Verfahren gescheitert, das wir vor dem Landgericht Heidelberg geführt haben. Das aktuelle Urteile des Landgerichts Essen zeigt einmal mehr, dass Volkswagen endlich seiner Verantwortung im Abgasskandal gerecht werden und den geschädigten Kunden angemessene Schadensersatzangebote machen sollte.“
Partner Dr. Marco Rogert
Das könnte Sie auch interessieren:
Rekordpreise für Diesel- Jetzt erst RECHT Auto rückabwickeln
Der Diesel befindet sich in Deutschland auf einem Rekordhoch und auch Benzin nähert sich einem…
VTDI-Abgasskandal rund um VW, Audi und Porsche
Für viele deutsche Automobilhersteller ist der Diesel-Abgasskandal noch immer allgegenwärtig, so auch für den VW-Konzern…
Audi AG zur Rücknahme eines Porsche Cayenne S verurteilt
Die Audi AG wurde vom OLG Köln zur Rücknahme eines Porsche Cayenne S 4.2l verurteilt….