Neue Hoffnung für Diesel-Käufer, die ihr Fahrzeug nach dem 22.09.2015 erworben haben.
Mit Urteil vom 30.07.2020 hat der BGH über den Fall eines Klägers entschieden, der sein Diesel-Fahrzeug im August 2016 kaufte, also knapp 11 Monate nach dem Erscheinen der „ad-hoc-Mitteilung“ der Volkswagen AG.
Im Gegensatz zum Grundsatzurteil im Dieselabgasskandal vom 05.05.2020, wo der Senat noch Ansprüche gegen den Volkswagen Konzern wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung bejaht hatte, verneinte der BGH, hier den Schadensersatzanspruch. Nach Ansicht des Senats war „die Mitteilung von VW vom 22. September 2015 geeignet, das Vertrauen potenzieller Käufer von Gebrauchtwagen mit VW-Dieselmotoren in eine vorschriftsgemäße Abgastechnik zu zerstören, und die diesbezügliche Arglosigkeit zu beseitigen.“
Auf gut deutsch: Käufer von gebrauchten VW-Fahrzeugen mit Dieselmotoren durften ab diesem Zeitpunkt überhaupt kein vorschriftsmäßiges Fahrzeug aus dem VW Konzern mehr erwarten.
Ein Satz, den man sich in vielerlei Hinsicht einmal auf der Zunge zergehen lassen muss.
Erstaunlicherweise war diese Aussage nach der Angabe des BGH im konkret verhandelten Fall nicht durch den Kläger angegriffen worden.
In der ad hoc Mitteilung von VW steckt kein Fünkchen Wahrheit
O-Ton Partner Dr. Marco Rogert: Das hätte man aber definitiv tun, also bestreiten müssen- wie wir Juristen es ausdrücken! Wir haben bei R & U die entscheidenden Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs eingehend analysiert und festgestellt, dass das Juli-Urteil zum „Kauf nach ad hoc“ auf der Annahme beruht, die Volkswagen AG habe mit ihrer Mitteilung vom 22.09.2015 „reinen Tisch“ gemacht. Das hat VW aber nicht- im Gegenteil!
Schon im dritten Satz der ad hoc Mitteilung steckt kein Fünkchen Wahrheit. Dieser lautet „Die beanstandete Software beeinflusst weder Fahrverhalten, Verbrauch noch Emissionen.“
O-Ton Partner Dr. Marco Rogert: Es wird beim EA 189, dem Skandalmotor mit dem der Abgasskandal bekannt wurde, doch inzwischen von keinem Gericht mehr in Abrede gestellt, dass die „beanstandete Software“ sehr wohl die Abgas-Emissionen der Fahrzeuge beeinflusst. Sie wurde nämlich allein aus dem Grund eingesetzt, die Emissionen auf dem Prüfstand zu reduzieren, um dort vorzugaukeln, dass die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden.
Der Inhalt der ad-hoc Mitteilung wurde falsch formuliert, um den Skandal herunterzuspielen
So weit kann es also mit dem Aufklärungswillen der Verantwortlichen in Wolfsburg damals nicht her gewesen sein.
O-Ton Partner Dr. Marco Rogert: Vielmehr ist davon auszugehen, dass insbesondere dieser Inhalt vorsätzlich falsch und unvollständig formuliert wurde, um vor allem potentielle Käufer und Dieselfahrer zu täuschen und so den Skandal herunterzuspielen. Es ging also gerade nicht um Aufklärung der Verbraucher, sondern vor allem um Schadensbegrenzung für den Konzern.
Strafanzeige gegen die Verantwortlichen des VW Konzerns – abgewiesene Klagen könnten erneut aufgerollt werden
Die Kanzlei R & U sieht sich als Interessenvertreter ihrer Mandanten – tausender Geschädigter aus dem In- und Ausland- und als Organ der Rechtspflege verpflichtet, diesen Umstand öffentlich zu machen.
„Wir haben Strafanzeige gegen die Verantwortlichen des VW Konzerns eingereicht. Wesentliche Anknüpfungspunkte für die falsche und unvollständige ad hoc Mitteilung ergeben sich auch aus neuen Feststellungen der Staatsanwaltschaft München und des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA).“
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Partner Dr. Marco Rogert
Wir werden uns gegen sämtliche auf diesem BGH-Urteil (ad-hoc-Urteil) aus Juli beruhende Entscheidungen zur Wehr setzen. Auch bereits rechtskräftig abgewiesene Klagen könnten im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung von VW wegen Prozessbetruges wieder aufgerollt werden.
Fast alle Euro-6 Diesel-Fahrzeugmodelle von VW, Audi und Porsche zurückgerufen. Fahrzeuge mit dem EA288 Motor ebenfalls betroffen
Auch der zweite Satz der ad hoc Mitteilung „Die aktuell in der Europäischen Union angebotenen Neuwagen mit Dieselantrieb EU 6 aus dem Volkswagen Konzern erfüllen die gesetzlichen Anforderungen und Umweltnormen“ erscheint heute wenig glaubwürdig.
Tatsächlich sind fast alle 3.0 Liter Diesel-Fahrzeugmodelle der Marken VW, Audi und Porsche, der Schadstoffklasse Euro 6, bereits wegen illegaler Abschaltvorrichtungen vom KBA zurückgerufen worden. Weitere Rückrufe ergehen derzeit auch bei den 3.0 Liter Modellen der Schadstoffklasse Euro 5.
O-Ton Partner Dr. Marco Rogert: Und auch da ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Es bestehen auch bei den 2.0 Liter Dieselmodellen des Konzerns berechtigte Zweifel daran, dass der Nachfolger des Skandalmotors EA189- der EA 288- sauber ist. Wir haben auch hier schon 8 Landgerichte, die VW diesbezüglich zu Schadensersatz in erster Instanz verurteilt haben.
Ein internes Papier belegt, dass es die schriftliche Anweisung gegeben hat, auch in den EA 288 Fahrzeugen-zumindest bis zur 22. KW 2016- die beim Skandalmotor EA 189 verwendete Manipulationssoftware einzusetzen.
Dass der Grundstein für die Wandelung der VW AG im Abgasskandal vom Saulus zum Paulus damit schon mit der ad hoc Mitteilung im Herbst 2015 gelegt worden sein soll, erscheint rückblickend betrachtet damit mehr als widerlegt und durchaus auch strafrechtlich relevant.
Das Ende des Abgasskandals ist damit noch lange nicht in Sicht.
Hier noch einmal die ad-hoc-Mitteilung der Volkswagen AG vom 22.09.2015:
Volkswagen AG informiert:
Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran. Die aktuell in der Europäischen Union angebotenen Neuwagen mit Dieselantrieb EU 6 aus dem Volkswagen Konzern erfüllen die gesetzlichen Anforderungen und Umweltnormen. Die beanstandete Software beeinflusst weder Fahrverhalten, Verbrauch noch Emissionen. Somit besteht für Kunden und Händler Klarheit.
Weitere bisherige interne Prüfungen haben ergeben, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns vorhanden ist. Bei der Mehrheit dieser Motoren hat die Software keinerlei Auswirkungen.
Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt.
Zur Abdeckung notwendiger Service-Maßnahmen und weiterer Anstrengungen, um das Vertrauen unserer Kunden zurück zu gewinnen, beabsichtigt Volkswagen, im 3. Quartal des laufenden Geschäftsjahres rund 6,5 Milliarden Euro ergebniswirksam zurückzustellen. Aufgrund der laufenden Untersuchungen unterliegt der angenommene Betrag Einschätzungsrisiken. Die Ergebnisziele des Konzerns für das Jahr 2015 werden dementsprechend angepasst.
Volkswagen duldet keinerlei Gesetzesverstöße. Oberstes Ziel des Vorstands bleibt es, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und Schaden von unseren Kunden abzuwenden. Der Konzern wird die Öffentlichkeit über den weiteren Fortgang der Ermittlungen fortlaufend und transparent informieren.
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