Trotz eines Rekordgewinns beabsichtigt die Commerzbank, fast 4.000 Stellen abzubauen. Hintergrund ist die Bedrohung durch eine mögliche feindliche Übernahme durch die italienische Unicredit. Um ihre Unabhängigkeit zu sichern, möchte die Bank ihre Effizienz steigern. Im Rahmen ihres Strategieplans bis 2028 ist eine deutliche Reduzierung der Stellenzahl vorgesehen, insbesondere in Deutschland. Bis Ende 2027 sollen etwa 3.900 Vollzeitstellen gestrichen werden, wovon rund 3.300 in Deutschland entfallen – was einem Rückgang von 17 Prozent der deutschen Belegschaft entspricht, obwohl die Bank im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn erzielte.
Zugleich plant die Commerzbank, neue Arbeitsplätze in ihrer polnischen Tochtergesellschaft mBank sowie an asiatischen Standorten zu schaffen. Der weltweite Personalbestand wird voraussichtlich bei rund 36.700 Vollzeitkräften bleiben, was nahezu dem Stand von Ende 2004 (36.842 Stellen) entspricht. Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp unterstrich, dass diese Maßnahmen darauf abzielen, das Unternehmen als festen Akteur im europäischen Bankensektor zu positionieren.
Stellenabbau in Deutschland: Besonders betroffen sind die Zentrale und das Rhein-Main-Gebiet
Der Stellenabbau in Deutschland betrifft vor allem die Zentrale in Frankfurt sowie weitere Standorte im Rhein-Main-Gebiet. Besonders betroffen sind administrative Bereiche wie Kommunikation, Gebäudemanagement, die Stäbe der Bereichsvorstände sowie Backoffice-Aufgaben, insbesondere die Abwicklung und Verwaltung von Geschäften. Zum Jahresende verzeichnete die Commerzbank AG in ihrem Heimatmarkt insgesamt 19.370 Vollzeitstellen.
„Um diesen Transformationsprozess sozialverträglich zu gestalten, setzt die Commerzbank vor allem auf den demografischen Wandel und die natürliche Fluktuation“, erklärte die Bank. In Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen wurden bereits die wesentlichen Grundlagen für ein Altersteilzeit-Programm vereinbart, das noch in diesem Jahr umgesetzt werden soll.
Unicredit bleibt hartnäckig bei der Commerzbank
Die Commerzbank sieht sich zunehmendem Druck ausgesetzt, seit die Unicredit im Herbst den Teilausstieg des Bundes genutzt hat, um erheblich in die Commerzbank zu investieren. Heute hält die Mailänder Großbank rund 28 Prozent der Anteile des DAX-Konzerns, davon etwa 9,5 Prozent direkt in Aktien und knapp 18,6 Prozent durch Finanzinstrumente. Sollte ihr Anteil auf 30 Prozent steigen, wäre die Unicredit verpflichtet, den übrigen Commerzbank-Aktionären ein Übernahmeangebot zu machen.
Unicredit-Chef Andrea Orcel verfolgt seit Monaten eine Übernahme. Zwei Tage vor der Strategievorstellung der Commerzbank nutzte Unicredit ihre Bilanzvorlage, um der Commerzbank einen Fragenkatalog zu übermitteln. Darunter auch die provokante Frage: „Sind die neuen Ziele realistisch – besonders angesichts der Tatsache, dass die früheren Ziele nicht erreicht wurden? Oder beruhen sie auf zu optimistischen Annahmen und dem Druck, ein potenzielles Übernahmeangebot abzuwehren?“ Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp entgegnete während der Strategiepräsentation: „Ich versichere Ihnen, dass wir auf alle Fragen, die unser italienischer Wettbewerber und Investor zu unserer Strategie gestellt hat, klare Antworten haben.“
Ein Übernahmeangebot der Unicredit liegt derzeit noch nicht vor. Orcel selbst erklärte diese Woche, dass ein solches Angebot frühestens im vierten Quartal 2025 oder im ersten Quartal 2026 erfolgen könnte.
Angesichts des Widerstands in Deutschland plant Orcel, die Zeit zu nutzen, um bei der neuen Bundesregierung für seine Übernahmepläne zu werben. Der Bund, der die Commerzbank während der Finanzkrise 2008/2009 mit Steuermilliarden gerettet hatte, hält noch etwa 12 Prozent der Anteile des Instituts.
Commerzbank setzt auf ambitionierte Wachstumsziele
Auch der Vorstand, Aufsichtsrat und Betriebsrat der Commerzbank wehren sich gegen das, was sie als „feindliches“ Vorgehen der italienischen Unicredit ansehen. Seit dem 1. Oktober amtierende Konzernchefin Bettina Orlopp setzt darauf, die Eigenständigkeit der Bank durch steigende Gewinne und ambitionierte Renditeziele zu sichern.
In den kommenden Jahren strebt die Commerzbank an, ihre Gewinne erheblich zu steigern und profitabler zu werden. Nach einem Rekordgewinn von fast 2,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr plant die Bank, ihren Überschuss bis 2028 auf 4,2 Milliarden Euro zu erhöhen. Zudem soll die Eigenkapitalrendite von 9,2 Prozent im Jahr 2024 auf 15 Prozent im Jahr 2028 steigen. Für das laufende Jahr wird jedoch ein Rückgang des Gewinns auf 2,4 Milliarden Euro erwartet, da der Stellenabbau zunächst hohe Kosten mit sich bringt. Einmalig rechnet die Bank mit Ausgaben von etwa 700 Millionen Euro. Gleichzeitig wird erwartet, dass die jährlichen Kosten durch die Einsparungen um rund 500 Millionen Euro sinken.
Das Filialnetz bleibt weiterhin auf etwa 400 Standorte reduziert, ebenso bleibt die Zwei-Marken-Strategie mit der Commerzbank und der Onlinebank Comdirect unverändert.
Aktionäre sollen von hohen Gewinnausschüttungen profitieren
Der Vorstand der Commerzbank plant, die Anteilseigner durch hohe Gewinnausschüttungen zu belohnen. Für das Geschäftsjahr 2024 ist eine Erhöhung der Dividende von 35 Cent auf 65 Cent je Aktie vorgesehen. Für 2025 beabsichtigt die Commerzbank, mehr als 100 Prozent ihres Überschusses an die Aktionärinnen und Aktionäre auszuschütten, wobei zuvor die Zinsen für eigenkapitalähnliche Anleihen abgezogen werden. Für die Jahre 2026 bis 2028 strebt Konzernchefin Bettina Orlopp eine Ausschüttungsquote von 100 Prozent an, wobei diese von der erfolgreichen Umsetzung der neuen Strategie „Momentum“ sowie vom wirtschaftlichen Umfeld abhängt.
Die Commerzbank-Aktie legte am Donnerstagmorgen zunächst um bis zu 2,6 Prozent zu, bevor die Kursgewinne wieder schrumpften. Letztlich gehörte das Papier mit einem Rückgang von einem halben Prozent zu den Verlierern im Deutschen Aktienindex. Branchenexpertin Anke Reingen von der kanadischen Bank RBC bewertete die Annahmen des Managements für die kommenden Jahre als optimistisch, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung der Erträge.
Neue Partnerschaft mit Kreditkartenanbieter Visa
Zur Umsetzung ihrer Gewinnziele setzt Orlopp neben Stellenabbau und Kostensenkungen auf kontinuierlich wachsende Einnahmen, insbesondere aus Provisionen. Während im vergangenen Jahr noch 59 Prozent der Erträge zur Deckung der Bankkosten verwendet wurden, sollen es bis 2028 nur noch rund 50 Prozent sein. Dies bedeutet, dass die Commerzbank künftig für jeden Euro Ertrag nur noch etwa 50 Cent an Kosten aufwenden möchte.
Zur Steigerung der Profitabilität plant die Bank gezielte Zukäufe und Partnerschaften. Eine bedeutende neue Kooperation wurde bereits mit dem Kreditkartenanbieter Visa geschlossen: Kunden der Commerzbank werden künftig bevorzugt Debit- und Kreditkarten von Visa erhalten.