Lauterbach betont die Bedeutung der Gesundheitsdaten für KI-Innovationen und Reformen im Gesundheitswesen

Karl Lauterbach betrachtet die Gesundheitsdaten als zentral für KI-Innovationen und zieht das Interesse von Tech-Giganten wie Google, Meta und OpenAI auf sich. Er beschrieb die elektronische Patientenakte zu Beginn als eine Quelle mit erheblichen Herausforderungen, aber dank später Einführung eröffnen sich neue technologische Möglichkeiten. Diese Ansichten äußerte er während seiner Keynote auf der Digital Health Conference des Bitkom.

„Die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens verlief in den letzten 20 Jahren zäh. Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte am 15. Januar für 70 Millionen Versicherte wird nun ein bedeutender Fortschritt erzielt. Sie bildet das Herzstück der Digitalisierung im Gesundheitswesen und wird die Patientenversorgung dramatisch verbessern“, versprach der Bundesgesundheitsminister.

Aktuell werden Röntgenbilder und Arztbriefe oft noch physisch transportiert, was zu unvollständigen Informationen führen kann und die Effizienz von Arzt-Patienten-Gesprächen beeinträchtigt, die in der Regel nur vier bis sechs Minuten dauern. Laut Lauterbach haben Patienten oft Schwierigkeiten, medizinische Befunde zu verstehen und zusammenzufassen, was zu Fehldiagnosen führen kann.

Deutschland hat das teuerste Gesundheitssystem in Europa, jedoch gibt es laut Lauterbach erhebliche Qualitätsdefizite. „Wir haben erstmals eine Lebenserwartung, die unter dem EU-Durchschnitt liegt“, bemerkte er kritisch.

Karl Lauterbach strebt an, diese Defizite durch umfassende Reformen in der Digitalisierung, der Krankenhausversorgung und der Medizinforschung zu beheben. Er betonte die Bedeutung der elektronischen Patientenakte und des Forschungsdatenzentrums Gesundheit (FDZ Gesundheit) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Therapiesicherheit als zentrale Elemente für zukünftige Entwicklungen im Gesundheitswesen.

Lauterbach über den wertvollen Datenschatz der elektronischen Patientenakte

Karl Lauterbach hebt die enorme Bedeutung der elektronischen Patientenakte (ePA) hervor, die künftig als zentrale Sammlung von Gesundheitsdaten dienen soll. In dieser Akte werden Laborbefunde, Bildgebungsdaten, Krankenhausdaten, Arzneimitteldaten, Informationen aus der Pflege und digitale Gesundheitsanwendungen routinemäßig integriert. Lauterbach betonte: „Wenn Sie sich jetzt einmal vor Augen führen, wie groß dieser Datenschatz ist – wir haben pro Jahr eine Milliarde Arzt-Patient-Kontakte in den Praxen.“

Dank der ePA und der Möglichkeit, der Datensammlung zu widersprechen, wächst dieser Datenschatz kontinuierlich. Besonders wichtig sei, dass der Datenschatz des Forschungsdatenzentrums Gesundheit (FDZ Gesundheit) zunehmend um weitere Daten aus mehr als 400 medizinischen Registern sowie Genomdaten erweitert werde.

Die Krankenkassen-Abrechnungsdaten sind bereits im FDZ Gesundheit gespeichert, und künftig sollen alle Daten über eine pseudonymisierte Krankenversichertennummer miteinander verknüpft werden. Diese umfassende Datenbasis soll nicht nur individuelle Therapieentscheidungen erleichtern, sondern auch klinische Studien, epidemiologische Auswertungen und eine verbesserte Gesundheitspolitik unterstützen. Laut Lauterbach werde Künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt, um diesen Datensatz effizient zu nutzen. Der Datensatz sei bereits von Beginn an so strukturiert, dass er „KI-ready“ sei. Lauterbach ließ sich dabei von Israel beraten, um sicherzustellen, dass Datenschutz und Datennutzung optimal miteinander vereinbar sind.

Das Forschungsdatenzentrum ermögliche es, durch „confidential Computing“ sicher auf die Daten zuzugreifen, ohne dass diese den geschützten Raum verlassen. Forscher können die Daten mit KI-Methoden auswerten, wobei der Zugang nur für den jeweiligen Forschungszweck gewährt wird. Laut Lauterbach sei es entscheidend, dass der Datensatz niemals aus diesem sicheren Umfeld entweiche.

Mit der Einführung der ePA und des FDZ Gesundheit ab 2025 sollen Gesundheitsdaten von der Geburt bis ins hohe Alter gesammelt werden – repräsentativ für die gesamte Bevölkerung. Lauterbach bezeichnete die ePA als das größte Digitalprojekt in der Geschichte Deutschlands und als eine bahnbrechende Innovation. Das Ziel sei es, den „größten“, „repräsentativsten“ und „interessantesten“ Gesundheitsdatensatz weltweit aufzubauen.

Lauterbach über das weltweite Interesse an Gesundheitsdaten und die Rolle der Künstlichen Intelligenz

Karl Lauterbach berichtete von dem zunehmenden Interesse führender Tech-Unternehmen an den Gesundheitsdaten, die durch die elektronische Patientenakte (ePA) und das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ Gesundheit) gesammelt werden. Laut Lauterbach stehen Meta, OpenAI und Google bereits in Gesprächen, um ihre KI-Modelle mit diesen Daten zu trainieren und daran zu arbeiten. Dabei versicherte er, dass auch deutsche Lösungen gefördert werden, jedoch sei das internationale Interesse an diesen Daten enorm.

Ein weiteres Thema, das Lauterbach betonte, ist der Einsatz von KI für die frühzeitige Diagnose von Krankheiten. So könnten in Zukunft sehr frühe Stadien von Krebserkrankungen durch Fingerabdrücke, die sich in der Proteinstruktur des Blutes zeigen, erkannt werden. Besonders im Bereich der Zweitmeinungen sieht Lauterbach großes Potenzial für KI, um das Gesundheitssystem zu entlasten. Dies könnte auch dazu führen, dass weniger invasive Behandlungen wie eine vollständige Chemotherapie notwendig sind, sondern gezieltere Therapien angewendet werden.

Lauterbach setzt ebenfalls große Hoffnungen in innovative Behandlungen wie Gentherapie und die CAR-T-Zell-Therapie. Als weitere positive Beispiele nannte er AlphaFold und EvolutionaryScales ESM3. Für die kommenden Jahre prognostiziert Lauterbach, dass 15 Millionen Babyboomer aus dem Erwerbsleben ausscheiden und zunehmend Patienten werden. Dies stellt eine Herausforderung dar, bietet aber auch die Möglichkeit, eine verbesserte und effizientere Medizin zu entwickeln.

Abschließend hob Lauterbach hervor, dass die Medizin als Wirtschaftszweig trotz wirtschaftlicher Stagnation in anderen Bereichen weiterhin Wachstumschancen bietet. Bereiche wie Medizin, Digitalisierung, Medizintechnologie und Pharma verzeichnen weiterhin ein positives Wachstum.

Lob von TK-Chef für Lauterbachs Reformen, aber auch Kritik an der Digitalisierung

Jens Baas, der Chef der Techniker Krankenkasse, lobte Karl Lauterbach für die Fortschritte bei seinen Reformen, insbesondere für die Einführung des E-Rezepts, das laut Baas weitgehend erfolgreich umgesetzt wurde – abgesehen von einigen „kleinen Hakeleien“. Trotz dieser positiven Bilanz betonte Baas, dass Lauterbach viele wichtige Dinge vorangebracht habe, es jedoch entscheidend sei, die Kosten weiterhin im Blick zu behalten.

Kritik äußerte Baas jedoch in Bezug auf die Digitalisierung. Seiner Meinung nach sei eine „grundsätzlich andere Herangehensweise oder Denkweise“ erforderlich, um die Herausforderungen in diesem Bereich effektiv zu meistern.

Diskussion um Sichtbarkeit der Abrechnungsdaten und Kritik an Digitalisierungstempo

Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse, sprach in einer Diskussion mit der Regierung eine kritische Anmerkung zur geplanten automatischen Befüllung der elektronischen Patientenakte (ePA) mit Abrechnungsdaten aus. Diese Daten sollen künftig für jeden behandelnden Arzt sichtbar sein. Baas wies darauf hin, dass es Bedenken gab, dass sensible Informationen wie etwa eine HIV-Diagnose in der Akte angezeigt werden könnten, was zu Diskussionen führte. Er kritisierte, dass solche Überlegungen dazu führen könnten, dass Ärzte plötzlich nicht mehr auf alle notwendigen Daten zugreifen dürften. Baas bezeichnete dies als „dumme Idee“ und mahnte, dass man mit solchen Diskussionen die Digitalisierung nicht vorantreiben werde. In Deutschland fehle es an einem klaren Mindset, bei dem alle, einschließlich der Skeptiker, eingebunden werden sollen.

In einer aktuellen Bitkom-Umfrage gaben 7 von 10 Befragten an, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu langsam voranschreite. 83 Prozent der Befragten haben jedoch den Eindruck, dass Ärzte der Digitalisierung grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehen. Weiterhin sehen 77 Prozent Deutschland im internationalen Vergleich im Hintertreffen.

Trotz dieser Kritik lobte Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer von Bitkom, die Fortschritte unter Lauterbachs Führung. Er hob hervor, dass mit dem Digitalgesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz in der verkürzten Legislaturperiode zwei bedeutende Projekte umgesetzt wurden, die die jahrelange Stagnation im Gesundheitswesen überwunden hätten. Rohleder sieht die Digitalisierung als Schlüssel, um das Gesundheitssystem auch in Zukunft leistungsfähig und bezahlbar zu halten.

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