Ehemaliger Bürgermeister von Oberriexingen berichtet über seine Post-Vac-Erkrankung

Der frühere Bürgermeister von Oberriexingen, Frank Wittendorfer, kämpft seit dem Jahr 2021 mit schweren gesundheitlichen Problemen, die er selbst als eine Form von Long Covid beschreibt. Begleitet wird er medizinisch von Dr. Martin Maunz.

Ein Leben im Umbruch seit November 2021

Wittendorfer und seine behandelnden Ärzte sprechen von einer Post-Vac-Erkrankung mit Symptomen, die denen von Long Covid und dem Chronic-Fatigue-Syndrom ähneln. Die Beschwerden traten jedoch nicht nach einer Corona-Infektion auf, sondern unmittelbar nach seiner dritten COVID-19-Impfung. Medizinisch ist inzwischen anerkannt, dass auch nach Impfungen ähnliche Beschwerden wie bei Long Covid entstehen können. Es wird vermutet, dass in manchen Fällen Autoantikörper durch eine Kombination bestimmter Faktoren nach der Impfung gebildet werden. Das Krankheitsbild ist bisher allerdings nicht vollständig erforscht.

Nach eigener Aussage kam sein berufliches, familiäres und soziales Leben im November 2021 abrupt zum Stillstand – seither sei er „meilenweit von einem normalen Leben entfernt“. Allein aus dem Haus zu gehen, sei ihm ohne Unterstützung nicht mehr möglich.

Vom Impfbefürworter zum Betroffenen
Anfang November 2021 erhielt Wittendorfer seine dritte Corona-Impfung. Zeitgleich setzte er sich als Bürgermeister aktiv für die Einrichtung eines Impfzentrums in Oberriexingen ein, um besonders älteren Mitbürgern den Zugang zur Impfung zu erleichtern. Rückblickend wirkt es tragisch: Ausgerechnet derjenige, der sich besonders für den Schutz der Bevölkerung engagierte, leidet nun selbst massiv unter den Folgen der Impfung.

„Die Impfung selbst war sehr schmerzhaft. Danach hatte ich starke Brustschmerzen, Herzrasen und Schwindel – und bis heute Schmerzen an der Einstichstelle im Arm“, erinnert er sich. In den folgenden Wochen verschlechterte sich sein Zustand drastisch. Er fühlte sich ständig erschöpft, war kaum noch arbeitsfähig. Im Frühjahr 2022 kam es zum völligen körperlichen Zusammenbruch – er musste erstmals in eine Notaufnahme eingeliefert werden.

Es folgte eine lange Phase voller medizinischer Untersuchungen, Klinikaufenthalte und wechselnder Diagnosen: Von einer möglichen Herzmuskelentzündung über Thrombose bis hin zu psychosomatischen Ursachen wie Stress wurde vieles vermutet. Teilweise war er – so schildert er es – tagelang bettlägerig, unfähig zu lesen, zu schreiben, zu sprechen oder sich auf den Beinen zu halten. Eine Reha im Herbst 2022 brachte nicht die erhoffte Besserung, sondern verschlimmerte seinen Zustand sogar noch weiter.

Verzweifelte Suche nach Klarheit
Wittendorfer bemerkte, dass sich sein Zustand selbst nach kleinster körperlicher oder mentaler Belastung weiter verschlechterte. Der Verdacht auf Long Covid lag nahe – jedoch hatte er sich nie nachweislich mit dem Coronavirus infiziert. So rückte zeitlich erneut die Impfung in den Fokus. Doch auch zu diesem Zeitpunkt blieb eine eindeutige Diagnose aus.

„Es war eine Tortur“, sagt Wittendorfer heute. „Ich fühlte mich nicht ernst genommen, wie jemand, der sich alles nur einbildet.“

„Es fühlte sich an, als würde ich in diesem Moment sterben“

Frank Wittendorfer ließ nichts unversucht, um die Ursachen seiner Beschwerden zu finden. Er suchte Hilfe in der Uniklinik Ulm, bei mehreren Fachärzten sowie an der Uniklinik Tübingen. Anfang 2023 wechselte er zu einer Internistin in Leonberg. Sie stellte stark erhöhte Autoantikörper und eine chronische Überaktivierung seines Immunsystems fest – ein erster deutlicher Hinweis auf eine immunologische Fehlreaktion.

Klarheit brachte schließlich ein Cardio-MRT im Frühjahr 2023: Es bestätigte eine weiterhin aktive Entzündung des Herzbeutels und Herzmuskels – als mögliche Folge der COVID-19-Impfung. In einer spezialisierten Klinik im bayerischen Bad Aibling entdeckten Ärzte zudem stark eingeschränkte Sauerstoffwerte, erhebliche Schädigungen der Gefäßinnenwände (Endothel) sowie Mikrogerinnsel im Blut – sichtbar gemacht durch ein spezielles Dunkelfeldmikroskop.

Im November 2023 infizierte sich Wittendorfer zum ersten Mal tatsächlich mit dem Coronavirus – ein weiterer Rückschlag, der seine ohnehin schweren Symptome nochmals verschärfte. Wenige Monate später, im Oktober 2024, erlitt er erneut einen dramatischen Zusammenbruch: Mit massiven Herzschmerzen wurde er in die Notaufnahme des Klinikums Ludwigsburg eingeliefert. „Ich hatte das Gefühl, in diesem Moment zu sterben“, erinnert er sich.

Der leitende Kardiologe Prof. Dr. Christian Wolpert verwies ihn an Dr. Martin Maunz, Kardiologe am Krankenhaus Bietigheim-Vaihingen, der auf Long Covid, Chronic Fatigue sowie mykoplasmenbedingte Erkrankungen spezialisiert ist. Wittendorfer wurde dorthin verlegt. „Als ich das erste Mal bei Dr. Maunz war, fiel eine enorme Last von mir ab. Er sagte mir, dass meine Symptome real seien – keine Einbildung“, so Wittendorfer.

Diagnose: Chronisches Erschöpfungssyndrom
Dr. Maunz führte eine Spiroergometrie durch, ein Belastungstest, der den körperlichen Zustand exakt misst. Das Ergebnis: Eine schwere Form chronischer Erschöpfung mit Merkmalen einer Autoimmunerkrankung. Die Werte zeigten, dass Wittendorfers körperliche Leistungsfähigkeit auf dem Niveau eines 80-jährigen Menschen lag. Erst dadurch wurde eine gezielte therapeutische Behandlung möglich.

Inzwischen schlägt die kombinierte Therapie langsam an. Seine Belastbarkeit habe sich verbessert – heute entspreche sie ungefähr der eines 70-Jährigen. „Ich kann wieder ein bisschen mit meinen Kindern spielen und meine Frau im Alltag unterstützen. Aber von echter Symptomfreiheit bin ich noch weit entfernt“, sagt Wittendorfer.

Was ist Long Covid und Post-Vac?

Unter Long Covid versteht man gesundheitliche Beschwerden, die nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bestehen bleiben oder neu auftreten – vorübergehend oder dauerhaft. Eine einheitliche, international anerkannte Definition gibt es bislang nicht. Das Krankheitsbild kann sehr unterschiedlich ausfallen: Es reicht von einer Verschlechterung bereits vorhandener Erkrankungen über neu entwickelte Symptome und Organschäden bis hin zu typischen postinfektiösen Beschwerden.

Häufige Anzeichen sind ausgeprägte Erschöpfung (Fatigue), eine deutliche Verschlechterung des Allgemeinzustands nach körperlicher oder geistiger Belastung, kognitive Einschränkungen („Gehirnnebel“), Störungen des autonomen Nervensystems sowie Atemprobleme.

Ähnliche Symptome können auch nach einer Corona-Schutzimpfung auftreten – in diesem Fall spricht man von einem sogenannten Post-Vac-Syndrom.